Augen

Newsletter 1/20

 

Inhalt

1. Editorial
2. Rückblick 2019 und Ausblick 2020
3. Buchmesse und Museumsnacht 2020
4. Initiativkreis Riebeckstraße 63
5. Besser sichtbar: Gedenkort für die Kinder-»Euthanasie«-Verbrechen
6. Termine und Informationen
7. Buchempfehlung
8. Ihre Unterstützung
9. Abonnement und Kontakt
10. Impressum

1. Editorial

Liebe Freundinnen und Freunde des Sächsischen Psychiatriemuseums,
nach einer längeren Unterbrechung erhalten Sie nun wieder einen Newsletter des Sächsischen Psychiatriemuseums. Zunächst geben wir einen kurzen Überblick zu den Aktivitäten im zweiten Halbjahr des Jahres 2019. Wir können von einer erfreulich großen Resonanz berichten, die sich in steigenden Besucherzahlen widerspiegelt. Das Interesse von Gruppen aus den unterschiedlichsten Bereichen wächst kontinuierlich, hinzu kommen zahlreiche Einzelbesucher, die hauptsächlich die Öffnungszeiten an den Sonnabenden nutzen. Dies bedeutet auch eine große Herausforderung für die Kolleginnen und Kollegen, die die Museumsdienste absichern, und bei denen ich mich an dieser Stelle für ihr Engagement bedanken möchte.
Ich hoffe, dass sich die positive Entwicklung des Museums auch in diesem Jahr fortsetzt. Dazu werden sicher auch die Veranstaltungen im Kontext des 30jährigen Bestehens unseres Trägervereins Durchblick e.V. beitragen, der seit 1990 ein Kapitel der sächsischen Psychiatriegeschichte mitgeschrieben hat.
Mit besten Grüßen
Ihr Thomas R. Müller
Sächsisches Psychiatriemuseum

2. Rückblick 2019 und Ausblick 2020

2019 war hinsichtlich der Besucherzahlen für das Sächsische Psychiatriemuseum ein erfolgreiches Jahr. Wir konnten einen Besucherzuwachs von 20% verzeichnen; fasst 50 Gruppen erhielten eine Museumsführung, hinzu kamen fünf psychiatriegeschichtliche Stadtrundgänge.
Zur Museumsnacht wurde die Sonderausstellung »›…früher vorherrschend Wahn, ein großer Erfinder zu sein…‹ Der Oberförster und Luftschiffer Ernst Georg August Baumgarten (1837-1884)« eröffnet. Bei den Recherchen zur Ausstellung entwickelte sich eine produktive Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Baumgarten im Heimatverein Grüna. Im Herbst eröffnete dann auch der Heimatverein seine neue Gedenkausstellung »Ernst Georg Baumgarten, der Fliegende Oberförster. Leben & Sterben für eine Idee«.
Im April 2019 konnten wir auf Einladung der in Udine lebenden Soziologin Kirsten Düsberg das Museum in einem Vortrag in Udine vorstellen. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Der andere Blick. Alternativen in und zur Psychiatrie« sprach Kirsten Düsberg im Juni in Leipzig über die Geschichte der italienischen Psychiatriereform.
Auf dem DGPPN-Kongress referierte Thomas Müller auf dem Symposium »Psychiatrie in der DDR – ein wissenschaftshistorischer Diskurs« über die Darstellung der Psychiatrie in der DDR-Literatur.
Weiterhin war das Psychiatriemuseum Mitveranstalter einer Veranstaltung im Rahmen des Festivals »Stadt der Sterblichen« (September 2019) am Gedenkort für die Kinder-»Euthanasie«-Verbrechen in Leipzig.
Im Jahr 2020 wird sich das Museum u.a. den historischen Ereignisse 1989/90 widmen, die auch in der Psychiatrie einschneidende Veränderungen mit sich brachten. Dafür überarbeiten wir unsere Sonderausstellung »Psychiatrie in der Wende« aktualisiert, die zur Museumsnacht am 9. Mai präsentiert wird. Das Veranstaltungsprogramm »IRRE ZEITEN – 30 Jahre mit Durchblick« zwischen dem 9. Mai und 5. Juni 2020 blickt auf die dreißigjährige Geschichte des Durchblick e.V., Träger des Psychiatriemuseums, zurück und setzt sich mit aktuellen Themen der Psychiatrie auseinandersetzen.
Beim Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz wurde ein Projektantrag zum »Aufbau eines Dokumentations- und Informationszentrum zur Geschichte der Psychiatrie nach 1945« gestellt. Falls hierfür Mittel bewilligt werden, wird die Aufarbeitung der Geschichte der Psychiatrie in Sachsen im Jahr 1990 im Mittelpunkt der Projektarbeit stehen. Außerdem sollen erste Schritte zur Inventarisierung des im Museum befindlichen Teilnachlasses von Prof. Klaus Weise unternommen werden.

3. Buchmesse und Museumsnacht 2020

Auch 2020 nehmen das Sächsische Psychiatriemuseum und der Durchblick e.V. an der Leipziger Buchmesse (März) und der Museumsnacht (Mai) teil.
Neben der schon traditionellen Stadtführung »Genie und Wahnsinn. Dichter und Denker in Leipzig« ist die Mainzer Str. 7 Veranstaltungsort für Lesungen im Programm von »Leipzig liest«. Genauere Informationen dazu unter Termine.

4. Initiativkreis Riebeckstraße 63

Das Sächsische Psychiatriemuseum beteiligt sich an der Entwicklung des Konzeptes für einen Gedenk-, Lern- und Begegnungsort Riebeckstraße 63 auf dem Gelände der ehemaligen Städtischen Arbeitsanstalt. Nach dem Symposium »Verfolgung – Ausgrenzung – Verwahrung. Die ehemalige Arbeitsanstalt von 1892 bis heute« im März 2019 hatte sich ein Initiativkreis gegründet, der sich in Arbeitsgruppen (Konzept, Geschichte, Öffentlichkeitsarbeit) mit dem Projekt beschäftigt. Im Jahr 2020 sind u.a. zwei Veranstaltungen zum Thema Wohnungslose aus historischer und aktueller Perspektive geplant.
Der Tagungsband des Symposiums mit ergänzenden Beiträgen erscheint im Juni 2020 im Verlag Hentrich & Hentrich.

5. Besser sichtbar: Gedenkort für die Kinder-»Euthanasie«-Verbrechen

Auf Initiative von Studierenden der Sonderpädagogik an der Universität Leipzig wurden am 27. Januar 2020, dem Internationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, im Leipziger Friedenspark Hinweisschilder aufgestellt, die den dortigen Gedenkort für die Opfer der nationalsozialistischen Kinder-»Euthanasie«-Verbrechen besser sichtbar machen sollen.

6. Termine

Leipziger Buchmesse
12.03.2020, 10.30–12.30 Uhr
Zwischen Genie und Wahnsinn. Dichter und Denker in Leipzig
Psychiatriegeschichtliche Stadtführung
(mit Anmeldung)



12.03.2020, 19.00 Uhr Grit Poppe: Angstfresser Wenn die Angst das Leben beherrscht und die Vergangenheit die Gegenwart einholt. Lesung im Durchblick e.V./Sächsischen Psychiatriemuseum




Initiativkreis Gedenk-, Lern- und Begegnungsort Riebeckstraße 63
26.03.2020, 19.00 Uhr
Erlöserkirche Thonberg
Dauthestr. 1 A, 04317 Leipzig
Ausstellung »Wohnungslose im Nationalsozialismus« der BAG Wohnungslosenhilfe
und Podiumsdiskussion zur aktuellen Situation von wohnungslosen Menschen und Aspekten der Ausgrenzung und Stigmatisierung

30.03.2020, 17.00 Uhr
Neues Rathaus, Untere Wandelhalle
»Wer nicht arbeitet, soll nicht essen« - Verfolgung Wohnungsloser im Nationalsozialismus
Vortrag von Oliver Gaida, Berlin
Die Ausstellung »Wohnungslose im Nationalsozialismus« ist vom 30.3. bis 10.4. im Neuen Rathaus der Stadt Leipzig, Untere Wandelhalle zu sehen.




Museumsnacht Halle & Leipzig
09. 05.2020, 18 – 24.00 Uhr

Programmauszug Sächsisches Psychiatriemuseum/Durchblick e.V.

18:30 – 18:45
Psychiatrie in der Wende. Leipzig 1989 – 1993
Erläuterungen zur Ausstellung

19:15 – 19:30
30 Jahre – 30 Künstler
Die Kunstgruppe des Durchblick e.V.
Ausstellungseröffnung
20:00
IRRE ZEITEN – 30 Jahre mit Durchblick
Präsentation der Jubiläumsschrift mit Texten, Kunst und Fotos

7. Buchempfehlung

Christoph Hanzig
Zwischen Verwahrung »Asozialer« und Beurteilung »Schwachsinniger«
Die Landesanstalt Bräunsdorf 1933–1945
Verlag tredition, Hamburg 2019, ISBN 978-3-7497-5886-9, 100 S., 7,99 €
Das im Rahmen der Publikationen des Freiberger Zeitzeugnis e.V. erschienene Buch basiert auf der Masterarbeit von Christoph Hanzig an der Technischen Universität Dresden. Der Historiker Hanzig widmet sich darin einem bisher in der Forschung wenig beachteten Thema, den Arbeits- und Korrektionsanstalten in der Zeit des Nationalsozialismus am Beispiel der Landesanstalt Bräunsdorf.
Die 1824 als Landeswaisenhaus gegründete und 1832 in eine Erziehungs- und Korrektionsanstalt für Kinder umgewandelte Einrichtung in Bräunsdorf war nach 1933 die einzige Korrektionsanstalt in Sachsen.
Hanzig befasst sich in dem Buch mit der Funktion der Anstalt während der NS-Herrschaft, der Zusammensetzung der Anstaltsbewohnerinnen und -bewohner, dem Personal sowie der Verwicklung der Einrichtung in die nationalsozialistischen Verbrechen. Trotz einer schwierigen Quellenlage – es sind nur wenige Akten von Insassinnen und Insassen und des Personals überliefert – gibt Hanzig einen guten Einblick in die Rolle der Anstalt als Verfolgungsinstrument für Menschen, die im Nationalsozialismus als »asozial« diffamiert, verfolgt und teilweise getötet wurden.
Bräunsdorf diente dazu, »asoziale« Personen aus der »Volksgemeinschaft« zu entfernen, sie zu erziehen und ihre Arbeitskraft auszubeuten. Nach der Verabschiedung des »Gewohnheitsverbrechergesetzes« (1933) nahm die Zahl der Insassen in der Korrektionsabteilung zunächst massiv zu. Mit der 1937 auf sog. »Asoziale« ausgedehnten Vorbeugehaft und Aktionen wie »Arbeitsscheu Reich« kamen viele Betroffene in Konzentrationslager. Die freiwerdenden Kapazitäten in Bräunsdorf wurden ab 1942 für eine Abteilung für schwachsinnige Kinder und 1943 eine Außenabteilung der Landesanstalt Hochweitzschen genutzt. In Bräunsdorf wurde die Arbeitsfähigkeit der Kinder und Jugendlichen erprobt. Kindern, denen die geforderte Produktivität abgesprochen wurde, drohte eine Verlegung in die »Kinderfachabteilung« in Leipzig-Dösen. Hanzig führt mehrere Transporte von Zöglingen an und dokumentiert u.a. das Schicksal von Siegfried Voigt, der nach der Verlegung der Dösener »Kinderfachabteilung« nach Großschweidnitz dort im April 1945 im Alter von 11 Jahren starb. Noch am 21. Oktober 1945 schrieb der Großschweidnitzer Pfarrer Axt an Siegfrieds Tante: »Siegfried wäre hienieden dem Kampfe ums Dasein niemals gewachsen gewesen.«
Zahlreiche Patienten, die aus Hochweitzschen und Arnsdorf in die Außenabteilung Bräunsdorf kamen, starben in Großschweidnitz oder in der Anstalt Kosmanos (Böhmen). Auch in Bräunsdorf nahm die Sterberate während des 2. Weltkrieges massiv zu und erreichte im Jahr 1945 – insbesondere nach Kriegsende – ihren Höhepunkt.

Hanzings Arbeit ist eine notwendige und wichtige Ergänzung der Forschungen zur nationalsozialistischen Verfolgung von sog. »Asozialen« und der Rolle der Landesanstalt Bräunsdorf als »Rad in der Vernichtungsmechanik der »Euthanasie« (Hanzig).
Thomas R. Müller

8. Ihre Unterstützung

Für die Finanzierung unserer Arbeit sind wir auf Drittmittel angewiesen. Dabei hilft uns jede Spende. Auf Wunsch stellen wir Ihnen gern eine Spendenquittung aus.

Spendenkonto:
IBAN: DE05 8602 0500 0003 5214 02
BIC : BFSWDE33LPZ
Stichwort „Psychiatriemuseum“

9. Abonnement und Kontakt

Um den Newsletter abzubestellen oder mit uns Kontakt aufzunehmen, schicken Sie uns bitte eine Mai an:

10.Impressum

Herausgeber:Sächsisches Psychiatriemuseum
des Vereins Durchblick e.V.
Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Thomas R. Müller
Redaktionsschluss: 7. Februar 2020

www.psychiatriemuseum.de
www.durchblick-ev.de

© Sächsisches Psychiatriemuseum Mainzer Straße 7  04109 Leipzig

 

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